„Operation Kürbis“ Die Verfremdung der Selbstverwaltung durch das Führerprinzip
Mit dem Verständnis von nationalsozialistischer Führung war das genossenschaftliche Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung im Sinne der Willensbildung und Kontrolle „von unten nach oben“ nicht vereinbar. Hauptzielpunkt des Angriffs war die Position des von den Mitgliedern gewählten Vorstandes. An die Stelle der Selbstverwaltung trat das vom Nationalsozialismus geprägte „Führerprinzip“ als Leitbild, politisches Konzept und Propagandaformel des Nationalsozialismus – und als solches in absolutem Widerspruch zur Selbstverwaltung stehend! [1] Führungspersonen waren „von oben“ einzusetzen.
Die Wurzeln der Operation Kürbis gehen zurück auf das Jahr 1933 bzw. auf die Gleichschaltung der Wirtschafts Prüfer. Bei der „Gleichschaltung“ handelt es sich um einen von Justizminister Franz Gürtner geschaffenen Begriff der spezifisch-nationalsozialistischen Terminologie, der in allgemeiner Definition die Zwangsprozesse zur Vereinheitlichung des gesamten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens nach nationalsozialistischer Doktrin, durch Beseitigung des staatlichen und gesellschaftlichen Individualismus, durch Verlust der Unabhängigkeit und persönlichen Entscheidungsfreiheit beschreibt. ( vgl. Frank Pega) Die funktionelle Gleichschaltung der Institutionen zur Machtausdehnung und Machtsicherung des neuen Regimes wurde dadurch erreicht, dass praktisch sofort oder zumindest zeitnah nach der Machtergreifung die Führungspositionen neu besetzt wurden. Bereits 1936 wurde die Verordnung über öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen eingeführt.
Mit der Novellierung des Genossenschaftsgesetz im Oktober 1934, also 21 Monate nach der nationalsozialistischen Machtergreifung führte nach Kaltenborn (vgl. Wilhelm Kaltenborn: verdrängte Vergangenheit) zur vollständigen Gleichschaltung und Unterwerfung des Genossenschaftswesens durch die neuen Machthaber.
„Die Genossenschaft wird durch dem Verband geprüft dem sie angehört GenG 1934 ( §55 )“ was als Anschlusszwang in die Genossenschaftsgeschichte einging.
Die Novelle zum Genossenschaftsgesetz wurde formal von der Reichsregierung beschlossen und von Adolf Hitler als Führer und Reichskanzler und dem Reichsjustizminister Gürtner unterschrieben. Zu ihrer Rechtskraft bedurfte es keine parlamentarische Mehrheit mehr. Seit dem Ermächtigungsgesetz vom März 1933 lag die gesamte Staatsgewalt bei der nationalsozialistischen Reichsregierung.
Nach Kaltenborn läßt sich der Charakter der genossenschaftlichen Organisation von 1933 bis 1945 wie folgt zusammenfassen: „Sie waren williger Bestandteil des nationalsozialistischen Machtapparats.
Von einer Genossenschaftsbewegung konnte keine Rede sein.“
Die von den Nationalsozialisten vorgenommen Änderungen des Genossenschaftsgesetz, führten u.a. auch zu der Einführung der Pflichtmitgliedschaft. Die daraus abgeleitete Stärkung der Machtposition der genossenschaftlichen Spitzenverbände und das Prüfungsmonopol wurden nach 1945 nicht aufgehoben.
Kaltenborn faßt zusammen: „Die Genossenschaftsbewegung war tot. Was an formaler Hülle noch existierte, war seelenlos.“
Die Aufdeckung der „Operation Kürbis“ durch GenoLeaks liefert eine Erklärung für viele offene Fragen. Wie konnte es zugelassen werden, dass ein so einfaches und vielseitiges Kooperationsmodell, wie die im GenG beschriebene Gesellschaftsform der eingetragenen Genossenschaft, so missbraucht werden konnte.
Wenn wir heute das Demokratieverständnis, das Wertesystem und die Machtstrukturen im genossenschaftlichen Verbandswesen analysieren, spüren wir immer noch den schalen, leicht abgestandenen Geruch des Ermächtigungsgesetz, das unsere Genossenschaftsbewegung anscheinend wesentlich mitgeprägt hat.
Weitere Information zur „Operation Kürbis“ folgen.
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